Jean-Pierre Ponnelle

Leben

Ponnelle wuchs in einer musischen Familie auf. Sein Großvater, ein Weinhändler und Musikkritiker, war mit dem Komponisten Richard Strauss befreundet. Aufmerksam förderten Ponnelles Eltern seine künstlerischen Kenntnisse und Fähigkeiten. Acht Jahre lang erhielt er den in großbürgerlichen Kreisen üblichen Klavierunterricht. Die Mutter, Mia Ponnelle, geb. Reiter, eine Sängerin aus einer ungarisch-tschechischen Theaterfamilie, und der Vater, Pierre Ponnelle, Weinhändler und Journalist, besaßen ein Weingut in Beaune (Burgund). Ab 1942 unterstützte Ponnelle père die Résistance, später okkupierte die deutsche Armee ihren Wohnsitz. Die französische Militärregierung beauftragte 1945 u. a. Pierre Ponnelle als Offizier für kulturelle Angelegenheiten mit dem Aufbau eines neuen Rundfunksenders, dem Südwestfunk.

Bis 1948 verbrachte Jean-Pierre Ponnelle seine letzten Schuljahre im französischen Gymnasium in der Cité von Baden-Oos. Der Umgang und Austausch mit bedeutenden Künstlerpersönlichkeiten, die bei den Ponnelles ein und aus gingen, verstärkten noch einmal diesen Wunsch nach kreativer Betätigung bei Ponnelle fils. Unter den Freunden des Hauses befanden sich Persönlichkeiten wie Heinrich Strobel, der einflussreiche Hauptabteilungsleiter für Musik beim SWF, der Baden-Baden und Donaueschingen zu Zentren der zeitgenössischen Musik machte; Hans Rosbaud, der Chefdirigent des Rundfunkorchesters, bei dem Ponnelle fils Musikunterricht erhielt; Pierre Boulez, Avantgardekomponist und zeitweiliger Nachfolger von Rosbaud, seit 1958 in Baden-Baden wohnend; Hannes Tannert, der Intendant des Baden-Badener Theaters, der Jean-Pierre Ponnelle zu vielen Engagements zusammen mit seiner Frau, der Schauspielerin Margit Saad einlud, darunter „Les Caprices de Marianne“, womit man 1963 auf den Berliner Festwochen auftreten durfte; aber auch Hans Werner Henze, den Ponnelle auf den Donaueschinger Musiktagen kennenlernte. Henze debütierte 1950 mit seinem Ballettstück „Jack Pudding“ in Wiesbaden und für das Bühnenbild und die Kostüme beauftragte er seinen Freund Jean-Pierre. Beide gingen sie nach Paris, Ponnelle studierte an der Sorbonne Kunstgeschichte und Philosophie sowie Malerei bei Fernand Léger; später arbeiteten sie noch mehrmals gemeinsam zu Henzes Stücken, darunter Ponnelles Durchbruch mit der Oper „Boulevard Solitude“ (1952).

Im März 1959 wird Ponnelle zum Militärdienst in Frankreich eingezogen. Da er pazifistisch eingestellt ist, verzichtet er auf eine Nutzung der privilegierten Offizierslaufbahn, die ihm als Abiturient offengestanden wäre. Es wird ein zweieinhalbjähriges Martyrium in der marokkanisch-algerischen Wüste, unterbrochen von zwei Malaufträgen: ein Fresko in der Turnhalle der Kaserne von Rabat; sodann ein Kreuzabnahme-Triptychon für die katholische Militärkapelle „Notre-Dame de la Paix“ in Baden-Oos auf Veranlassung von General Paul Vanuxem, stellvertretender Generalkommandeur der französischen Truppen in Deutschland, davor Professor für Philosophie. Es gilt als sein bedeutendstes Gemälde, misst 265 × 657 cm und ist seit 1968 in der Militärkapelle von Évreux (Normandie); die Besitzer der Firma Schmincke (Düsseldorf), mit denen die Ponnelles befreundet waren, stellten ihm umsonst die Ölfarben. Ein ganzes glückliches Jahr durfte er dadurch mit seiner Familie in Baden-Baden verbringen. So fährt man mehrmals nach Colmar, um den Isenheimer Altar von Matthias Grünewald zu besichtigen und genießt die elsässische Küche. Dann muss er wieder zurück in die Wüste und in den Algerienkrieg. Von dieser feindseligen Umwelt aufs Äußerste bedrängt, reift sein Entschluss, sich nicht länger auf die Herstellung von Bühnenbild und Kostümen zu beschränken, sondern ein ganzes Werk als Regisseur zu durchdringen und zu beherrschen. In die oberrheinische Region wird er wieder 1965 von seinem Freund Germain Muller, Elsass‘ bedeutendstem Kabarettisten und damaligem Kulturbeauftragten der Stadt Straßburg, zu einer Opernproduktion eingeladen. Dieser Inszenierung von Brittens Sommernachtstraum sollten noch elf weitere aufsehenerregende Engagements in Straßburg folgen.

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